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Weltanästhesietag: 16. Oktober

Viele Menschen haben Angst vor der Narkose, einem Zustand ohne Bewusstsein und Schmerz-
empfindung, dem Geschehen völlig ausgeliefert. Trotz aller Bedenken sollte klar sein, dass die Narkose
heutzutage so sicher wie nie ist. Speziell ausgebildete Fachärzte kümmern sich um die Patienten. Moderne Geräte, exakte Dosierung und neueste Medikamente tragen ebenfalls zur Sicherheit bei.

Mit der erfolgreichen Demonstration einer Äthernarkose am 16.10.1846 durch den Zahnarzt William Thomas Green Morton (1819-1868) am Massachusetts General Hospital in Boston fand die erste Narkose weltweit statt. Der lang gehegte Traum der Menschheit, nämlich den Schmerz zu besiegen, ging somit endlich in Erfüllung.

Seitdem ist viel passiert, die Narkosemethoden wurden stetig weiterentwickelt und die moderne Anästhesie ermöglicht eine gezielte Betäubung des Körpers oder bestimmter Körperteile, um das Schmerzempfinden auszuschalten und den Patienten in einen künstlichen Schlaf zu versetzen. Dazu verwendet der zuständige Facharzt (Anästhesist) verschiedene Medikamente und/oder Gasgemische. Viele kennen die Narkose von Operationen oder bestimmten Untersuchungsverfahren. Denn durch die Narkose ist es erst möglich, Operationen und Untersuchungen schmerzfrei durchzuführen.

Entspannte Behandlung durch moderne Anästhesieverfahren

Vor der Narkose

Das Vorgespräch mit dem Anästhesisten vor einem operativen Eingriff ist ein wichtiger Bestandteil der Anästhesie, da anhand der Krankengeschichte ein individuelles Risikoprofil erstellt
werden kann. Notwendige Unterlagen für das Vorgespräch sind:

• Medikamentenplan
• frühere Arzt-/Entlassbriefe
• Untersuchungsbefunde (z.B. Herzkatheter, Herzecho usw.)
• Allergiepass

Anhand der Informationen aus dem Gespräch und den Befunden wird der Anästhesist das sicherste und schonendste Narkoseverfahren wählen. Je nach Patienten- und Behandlungssituation kommen unterschiedliche Anästhesie- und Beatmungsmethoden zum Tragen.

Narkose – schonend und sicher

Bevor die Narkose beginnt, wird der Patient häufig nach Namen oder Geburtsdatum gefragt. Dies zeigt, dass das Operationsteam das Risiko einer Verwechslung minimieren möchte. Unsere
Kliniken arbeiten zudem mit Armbändchen, die bei der Aufnahme ausgegeben werden. Die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Checklisten, die vor der OP abgearbeitet werden, und ein kurzes Fachgespräch des OP-Teams vor der Operation sind Qualitätsmerkmale und Garant dafür, dass die Klinik und die Mitarbeiter im höchsten Maß an der Patientensicherheit interessiert sind.

Narkosearten

Eine Narkose lässt sich grob in zwei Arten aufteilen: die Allgemeinanästhesie
(Vollnarkose) und die Regionalanästhesie (Teilnarkose).

Allgemeinanästhesie (Vollnarkose)
Während einer Allgemeinanästhesie sind Sie tief bewusstlos. Im Gegensatz zum natürlichen Schlaf setzt die Atemtätigkeit aus, so dass Sie während des Eingriffs beatmet werden müssen. Der Anästhesist überwacht dabei Ihre Vitalfunktionen (Herzschlag, Blutdruck, Sauerstoff-
sättigung im Blut) und sorgt zu jeder Zeit für eine ausreichende Sauerstoffzufuhr über einen Beatmungsschlauch (Tubus). Durch moderne Narkosemittel gelingt es, dass Sie sehr schnell nach dem Eingriff wieder wach sind. Zur Narkoseeinleitung atmet der Patient mehrere Minuten lang reinen Sauerstoff ein. Währenddessen legt der Anästhesist dem Patienten eine Nadel in ein Blutgefäß (zumeist am Handrücken oder in der Ellenbeuge), über die Medikamente einspritzt werden können. Zuerst wird dem Patienten ein starkes Schmerzmittel (Analgetikum) verabreicht, gefolgt von einem hochdosierten Schlafmittel (Hypnotikum), wodurch er innerhalb weniger Sekunden das Bewusstsein verliert und das Atmen einstellt. Der Anästhesist führt die Beatmung zunächst mithilfe eines Beatmungsbeutels fort. Nach der Gabe eines muskelentspannenden Medikaments (Muskelrelaxantium) führt er einen Tubus in die Luftröhre ein, über den der Patient von nun an von einer Maschine beatmet wird.

Regionalanästhesie (Teilnarkose)
Bei der Teilnarkose wird zwischen der sogenannten rückenmarksnahen Regionalanästhesie (Spinalanästhesie, Periduralanästhesie), bei der die gesamte untere Körperhälfte betäubt wird, und der peripheren Regionalanästhesie unterschieden. Dies sind sogenannte Leitungsblockaden, bei denen nur ein Arm oder ein Bein betäubt wird. Regionalanästhesien können als alleiniges
Narkoseverfahren oder in Kombination mit einer Allgemeinanästhesie angewandt werden. Auch bei der Regionalanästhesie wird der Patient vom Narkosearzt engmaschig überwacht.

Die Periduralanästhesie (Betäubung von Rückenmarksnerven) ist bei vielen Operationen eine schonende Alternative zur Vollnarkose. Mit ihrer Hilfe kann man große Körperbereiche betäuben, ohne dass der Patient das Bewusstsein verliert. Zudem ermöglicht das Verfahren eine schmerzarme Geburt, weshalb viele Frauen zur Entbindung eine PDA-Spritze wünschen.

Eine Spinalanästhesie (Betäubungsmittel werden in das Areal um das Rückenmark eingespritzt) kommt bei vielen Operationen im Bereich der Beine, des Beckens oder des Bauches zum Einsatz. Weil die Spinalanästhesie den Körper weniger belastet als eine Vollnarkose, stellt sie oftmals eine
schonendere Alternative dar. So wird sie beispielsweise bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Problemen bevorzugt.

Kinderanästhesie
Wenn Kinder operiert werden müssen, ist das immer eine sehr besondere Situation – für das Kind selbst wie auch für die Eltern. Diese sollten sich gemeinsam mit ihrem Kind auf den Tag der Nar-
kose vorbereiten. Hierfür sind offene Gespräche oder spielerische Übungen sinnvoll, je nach Alter des Kindes. Wichtig ist, dass die Eltern das Aufklärungsgespräch mit dem Anästhesisten gut nutzen und sich informieren. Denn je informierter die Eltern selbst sind, desto entspannter sind
sie und desto weniger ängstlich wird das Kind sein.

Nach der Aufnahme erhält das Kind ein Pflaster mit einer schmerzstillenden Salbe, das in die Haut einzieht, damit die Spritze schmerzfrei erfolgen kann. Kurz bevor das Kind in den OP gebracht wird, wird ein Beruhigungsmittel verabreicht, wodurch die Trennung von den Eltern
nicht mehr so schlimm empfunden wird. Das OP-Team achtet darauf, dass die Eltern möglichst lange bei ihrem Kind bleiben können.

Nach dem Eingriff erwachen die Kinder im Aufwachraum. Es ist nicht außergewöhnlich, wenn das Kind nach dem Erwachen verwirrt und aufgebracht ist. Gerade Kinder im Vorschulalter haben ein hohes Risiko für eine unruhige Aufwachphase, die nichts mit Schmerzen zu tun hat und manchmal auch die Gabe von Beruhigungsmitteln erforderlich machen kann.

Nach der Narkose

Nach einer Operation wird der Patient im Aufwachraum noch kurz überwacht und die Schmerzen behandelt. Die Schmerztherapie richtet sich im Wesentlichen nach der geschilderten Schmerz-
intensität. Anästhesie-Pflegekräfte und ein Narkosearzt sind hier vor Ort, um die Aufwachphase zu begleiten und bei Komplikationen schnell eingreifen zu können.

Gut zu wissen

Warum soll ich vor der Operation nüchtern sein?
Durch die Vollnarkose werden neben dem Bewusstsein und der Schmerzempfindung auch die Schutzreflexe (z.B. Schluck- und Hustenreflex) ausgeschalten. Durch die Lagerung besteht die Gefahr, dass Mageninhalt in den Rachen gelangt, eingeatmet wird und eine Lungenentzündung hervorruft.

Wie lange darf ich vor der Narkose essen und trinken?
In der Regel gelten folgende Empfehlungen: Bis sechs Stunden vor der Narkoseeinleitung kann Nahrung (gut verdaulich) aufgenommen werden. Klare Flüssigkeiten, die kein Fett, keine
Partikel und keinen Alkohol enthalten (z.B. Wasser, klare Säfte, kohlensäurehaltige Getränke wie Mineralwasser, Limonade, Tee oder Kaffee, jeweils ohne Milch) können in kleinen Mengen (1-2
Gläser/Tassen) bis zu zwei Stunden vor Narkoseeinleitung getrunken werden.

Bitte klären Sie mit dem Anästhesisten im Narkosegespräch ab, falls Sie regelmäßig Medikamente einnehmen müssen. Neugeborene und Säuglinge können bis vier Stunden vor Beginn der Narkoseeinleitung gestillt werden oder Flaschennahrung erhalten. Aus medizinischen Gründen kann es jedoch sein, dass Ihr Arzt von diesen Empfehlungen abweicht.

2021: 175 Jahre Anästhesie und Narkose - Das Ende der Schmerzen

Historischer Rückblick zum Äthertag

(von Jürgen Watzek 2021)

Seit jeher war der Schmerz ein ständiger Begleiter der Menschheit bei Krankheit und besonders bei operativen Eingriffen. Erklärungsversuche über Herkunft und Sinn des Schmerzes unterlagen stets kulturellen, religiösen und philosophischen Wertvorstellungen der Zeit. Wurden dafür in der Frühzeit vor allem dämonische Kräfte und böser Zauber verantwortlich gemacht, so wichen diese Ansichten in der Antike einer eher rationalen Denkweise, indem den Krankheiten eine natürliche Ursache unterstellt wurde.

Als Vertreter dieser Denkweise sind hier unter anderem Hippokrates (ca.460-ca.370 v.Chr.) und Galen (129-ca.200) zu nennen. In der Antike war gerade in Griechenland die medizinische Wissenschaft auf einem hohen Stand, die auch das Wissen der frühchristlichen Hochkulturen v.a. aus Ägypten und Mesopotamien bewahrte.

Das Bild von Robert Hinkley aus dem Jahr 1882 zeigt die erste Äthernarkose am 16.10.1846

Im frühen Christentum vertrat man den Standpunkt, dass man Schmerz und Leid als gottgegebene Strafe für die Verfehlungen im Paradies ertragen müsse. Dazu kam, dass man den als heidnisch angesehenen antiken Heilmethoden eher skeptisch gegenüberstand.

Mit dem Aufkommen des Mönchstums änderte sich die Einstellung zu Krankheit und Leid. Der Kranke rückte in den Mittelpunkt, welcher der Fürsorge eines jeden Mitmenschen bedurfte um sein Heil zu erlangen. Wer dem Kranken dient, der dient schließlich auch Christus. Deshalb hat auch Gott den Menschen die Heilkunde gegeben um das Leid in der Welt erträglicher zu machen. So wurde der heilende Christus als „Christus medicus“ zum Leitbild für das caritative und barmherzige Handeln der sich im christlichen Abendland etablierenden Klostermedizin.

In der Bewahrung und Vermittlung des medizinischen Wissens nahmen die Klöster mit ihren Klosterschulen eine führende Rolle ein. Allerdings konnte man nur auf einen Teil des überlieferten medizinischen Fundus der Antike zurückgreifen. Nach der Teilung des römischen Reiches fand nämlich eine Rezeption der antiken Wissenschaften in den byzantinischen und orientalischen Raum statt, wodurch vor allem die arabische Medizin eine unvergleichliche Blütezeit erlebte, wohingegen die Klostermedizin eher dem Niveau einer Volksmedizin entsprach. Vom 11. bis zum 13.Jh. wurde dieses komprimierte Wissen der griechisch-islamischen Medizin schließlich wieder vom lateinisch sprechenden Abendland rezipiert und assimiliert. Profiteur dieser Entwicklung war die Medizin in Europa, die somit einen Aufschwung erlebte und die Gründung zahlreicher medizinischer Schulen nach sich zog.

Unter den Heilmethoden spielte die Pflanzenheilkunde in der Klostermedizin eine wichtige Rolle. Als Teil der heilenden Natur, in der sich die Herrlichkeit Gottes offenbart, beherbergen die Pflanzen die Kraft Gottes und müssen nur von den Menschen in rechter Weise eingesetzt werden. In zahlreichen Arzneibüchern und medizinischen Abhandlungen wurden die Erkenntnisse aus der Pflanzenheilkunde festgehalten. So finden sich zahlreiche Anleitungen zu Pflanzenextrakten und Mixturen, die auch der Schmerzbekämpfung dienten. Dabei trifft man immer wieder auf bekannte Pflanzen, die schon in den alten Hochkulturen als Drogen Verwendung fanden. Neben dem Schlafmohn (Papaver somniferum) waren das so wichtige als auch giftige Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse wie z.B. der Stechapfel (Datura stramonium), die Tollkirsche (Atropa belladonna), das Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) und vor allem die sagenumwobene Alraune (Mandragora officinarum).

Es mag aus heutiger Sicht verblüffen, dass den Chirurgen der damaligen Zeit durchaus Formen der Narkose bekannt waren. Man bediente sich dabei zweierlei Methoden, indem man besagte Extrakte einmal oral zuführte, also durch Ingestion, oder man benetzte mit der Tinktur sogenannte Schlafschwämme (spongia somnifera) und ließ den Patienten darüber inhalieren. Verwunderlich ist die Tatsache, dass man sich seit Anfang des 16.Jh. von den alten Methoden der Schmerzausschaltung abwandte und die Patienten sich stärksten Schmerzen hilflos ausgesetzt sahen.

Das Schmerzverständnis der nächsten Jahrhunderte änderte sich dahingehend, dass man den Schmerz nicht nur als ein Symptom ansah, sondern ihm eine Wächterfunktion bzw. Stimulans zur Lebenserhaltung bei Operationen zuschrieb. Zudem stellte er eine Notwendigkeit dar um eine Krankheit zu bewältigen. Ein starker Schmerz sollte auch eine starke heilende Wirkung erzielen. So wurde schließlich der Schmerz als ein notwendiges Übel akzeptiert.
Als Grund für die Abkehr in der Neuzeit wird unter anderem vermutet, dass es zunehmend zu schweren Zwischenfällen kam, da die Dosierung der Narkotika unsicher und die Wirkung unberechenbar waren. Auch stellten die Chirurgen eine Randgruppe unter den Medizinern dar mit schlechtem Ansehen, sodass ihrem Handeln wenig Interesse entgegengebracht wurde.

Erst gegen Ende des 18.Jh. rückte der Schmerz wieder mehr in das Bewusstsein der Chirurgen. Man verwendete zwar Opium, aber dieses wurde nur allenfalls prä- oder postoperativ verabreicht. Man besann sich aber jetzt vor allem auf lokale Verfahren, die auch schon in früherer Zeit ihre Anwendung fanden, aber aus dem Blickfeld geraten waren.
So versuchte der Engländer James Moore (1763-1834) durch Kompression der Nerven mittels Pelotten Schmerzfreiheit zu erzielen. Auf ähnliche Weise verfuhren schon Ambroise Paré (1510-1590) im 16.Jh. durch Abschnürung der Extremität und im 18.Jh. Lorenz Heister (1683-1758) durch Anlegen eines Tourniquets. Das Problem war, dass mit der Zeit der Tourniquetschmerz genauso stark empfunden wurde wie der Schnitt mit dem Skalpell.
Dass durch Kälteeinwirkung Eingriffe möglich waren, hatte schon Marc Aurelio Severino (1580-1656) demonstriert. Diese Erfahrung machte auch der Chefchirurg der französischen Armee Dominique Jean Larrey (1766-1842) der während der napoleonischen Kriege unzählige Amputationen in kalter Umgebung durchführte und die analgetische Wirkung von Kälte sich zunutze machte. Eine nicht unbedeutende Rolle spielte auch der „animalische Magnetismus“ eines Franz Anton Mesmer (1734-1815), bei dem die Kranken wohl durch Hypnose in einen tranceähnlichen Zustand versetzt wurden. Da dieses Verfahren nicht bei jeder Person zum Erfolg führte, sah man sich dem Vorwurf der Scharlatanerie ausgesetzt.

Schimmelbuschmaske mit Ätherfläschche
Foto von J. Watzek

Aber welche Ereignisse hatten sich inzwischen zugetragen, dass es nun zu diesem denkwürdigen Tag im Jahr 1846 kommen konnte, der die Menschheit von den Qualen des operativen Schmerzes befreien sollte? Gegen Ende des 18.Jh. lenkte man das Augenmerk auf Gase und deren Synthese. Als Ergebnisse dieser Aktivitäten entdeckten in den 70er Jahren unabhängig voneinander Carl Wilhelm Scheele (1742-1786) und Joseph Priestley (1733-1804) den Sauerstoff. 1775 gelang Priestley schließlich auch die Synthese von Lachgas.
Das Chloroform sollte erst in den 1830er Jahren synthetisiert werden und erst später mit dem Äther in Konkurrenz treten.

Humphry Davy (1778-1829) erkannte zwar als erster die narkotisierende Wirkung des Lachgases ohne jedoch aus dieser Beobachtung die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. So fristete es zunächst sein Dasein als Halluzinogen und wurde als Partydroge missbraucht. Erst der Zahnarzt Horace Wells (1815-1845) wurde auf die Wirkung des Lachgases aufmerksam und es gelang ihm etliche Zahnextraktionen damit erfolgreich durchzuführen. Als er jedoch die Methode am 25.01.1845 im Massachusetts General Hospital in Boston öffentlich vorführen sollte, war ihm kein Erfolg beschieden. Ein ähnliches Schicksal musste Henry Hill Hickman (1800-1830) einige Jahre zuvor hinnehmen, der mit Inhalation von Kohlendioxid zwar Tiere narkotisieren konnte, dessen Methode jedoch keinen Anklang fand.

Inzwischen war jedoch der Äther in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, der zunächst wie das Lachgas als Belustigungsdroge herhalten musste. Auf die narkotisierende Wirkung des Äthers war man schon in früheren Zeiten aufmerksam geworden. Schon 1275 von Raymundus Lullus (1232-1316) beschrieben war die Herstellung sowohl Valerius Cordus (1515-1544) als auch Paracelsus (1493-1541) bekannt. Allein Paracelsus fiel die betäubende Wirkung des „süßen Vitriol“ (so die frühere Bezeichnung für Schwefeläther) auf, welche er an Hühnern beobachten konnte. Dieser Beobachtung wurde allerdings keine weitere Bedeutung beigemessen, sodass die so wichtige Eigenschaft des Äthers erst Jahrhunderte später wieder ins Rampenlicht treten sollte. Es war dem Laborassistenten von H.Davy Michael Faraday (1791-!867) vorbehalten im Jahr 1818 die narkotisierende Wirkung des Äthers wiederzuentdecken. Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten lagen wohl nicht in seinem Interesse ganz im Gegensatz zu Crawford Williamson Long (1815-1878), der Jahre später diese Erkenntnis in die Tat umsetzte. Dieser führte schon am 30.03.1842 mit Erfolg die erste Äthernarkose bei Entfernung eines Nackentumors durch, der auch noch weitere folgten. Jedoch trat er erst im Jahre 1849 damit an die Öffentlichkeit, sodass ihm versagt blieb als Erfinder der Äthernarkose in die Geschichte einzugehen. Diese Ehre sollte nun William Thomas Green Morton (1819-1868) zuteilwerden. Nachdem er von dem Chemiker Charles Thomas Jackson (1805-1880) auf die betäubende Wirkung von Äther aufmerksam gemacht wurde, gelang ihm nach einigen Selbstversuchen eine Zahnextraktion am 30.09.1846. Dieses Ereignis fand auch einen Tag später in einem kleinen Zeitungsartikel Erwähnung.

Es erfolgten noch einige Äthernarkosen um mehr Sicherheit zu gewinnen. Durch Vermittlung des Chirurgen Henry Jacob Bigelow (1818-1890) konnte Morton am 16.10.1846 im Massachusetts
General Hospital in Boston die Äthernarkose vor einem Fachpublikum öffentlich demonstrieren. Dabei entfernte der Chirurg John Collins Warren (1778-1856) erfolgreich einen Tumor am Hals. Der Operateur äußerte sich verwundert am Ende der Operation mit dem Ausspruch: “ Gentlemen, this is no humbug“.

Die Nachricht dieser Demonstration gelangte per Schiff nach Europa, woraufhin noch am 19.12.1846 in London die erste Äthernarkose vollzogen wurde. Auf dem europäischen Festland war man in Paris am 22.12.1846 erfolgreich. Die Schweiz und Deutschland zogen im Januar 1847 nach. Nach dem epochalen Ereignis kam es allerdings zu einem Prioritätenstreit zwischen Jackson, Morton und Wells. Alle meldeten den Anspruch an als Erfinder der Inhalationsnarkose anerkannt zu werden. Nur Long hatte sich an dem Disput nicht beteiligt. Der Streit endete ergebnislos, aber von der Akademie der Wissenschaften in Paris wurde später Morton und Jackson ein Preisgeld zugesprochen. Obwohl nachweislich Long die erste, aber nicht veröffentlichte Äthernarkose schon 1842 vornahm,wird die offiziell demonstrierte Narkose durch Morton am 16.10.1846 als Geburtsstunde der modernen Anästhesie gefeiert.
Seit 2012 wird auch der 16.10. offiziell als Weltanästhesietag begangen.
Aber auch Long geriet nicht in Vergessenheit. Zur Erinnerung an seine Pioniertat im Jahr 1842 wurde 1933 in den USA der 30.03. zum Doctors`Day bestimmt.

Literaturverzeichnis
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Bildnachweise

Künstler/Hersteller

Werk

Inv.-Nr.

Wolfgang Kilian (1581 - 1662), Stecher
Kaspar Amort d. Ä. (1612 - 1675), Inventor

CHIRVRGIA, Nr. 2 aus einer 3-teiligen Folge, 1651
Kupferstich
Blattgröße: 18,3 x 14,1 cm
Plattenmaß: 16 x 12,4 cm
Kunstsammlungen der Veste Coburg

II,227,36

Johann Elias Haid (1739 - 1809), Stecher
Frans van Mieris d. Ä. (1635 - 1681)

DER WUND-ARZT, 1776
Schabkunst
Blattgröße: 45,6 x 32,3 cm
Plattenmaß: 32,3 x 22,5 cm
Kunstsammlungen der Veste Coburg

III,136,47

Ein herzliches Dankeschön an die Kunstsammlungen der Veste Coburg, die uns diese Abzüge kostenfrei zur Verfügung gestellt hat. Namentlich:

PD Dr. Stefanie Knöll, Stellvertr. Direktorin und Leiterin des Kupferstichkabinetts
und
Dr. Marcus Pilz, Abteilung Historische Waffensammlung, Wagen und Schlitten, Orden, Medaillen und Münzen

Kunstsammlungen der Veste Coburg
Veste Coburg, 96450 Coburg

Weitere Infos

Weitere Infos, Filme, Beitrage und Veranstaltungen finden Sie auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin:

https://www.dgai.de/aktuelles/175-jahre-anaesthesie.html